Wir erinnern uns: Im vergangenen Jahr präsentierten die Münchner der weltweiten Offroadsportgemeinde mit viel Elan eine Sportenduro, vollgepackt mit innovativen Features.  Spielfelder sind seitdem die WEC und die Europäische Cross Country Meisterschaft XCC, darüberhinaus noch einige Schauplätze von Wichtigkeit in der Szene wie Erzberg oder Hellsgate. Als feste Bank bei BMW hat sich im Jahr eins auf der G 450 X der Finne Simo Kirssi bewiesen, der auf Anhieb gegen Weltklassekonkurrenz den Europäischen und Deutschen Cross Country Titel an die Isarmetropole holte. Durch einen Podiumsplatz beim WEC Lauf in Polen, den Kirssi völlig unerwartet an seinem dritten WM Wochenende überhaupt seinem Arbeitgeber präsentierte, fühlte man sich in München fit, um bereits für 2009 zur Attacke auf den Titel zu blasen.

Ein Titel bei der WEC 2009 war denn auch erklärtes Ziel vor dem Saisonstart in Portugal. Für diese Mammutaufgabe wurden mit Juha Salminen und David Knight zwei große Namen verpflichtet, die zusammen einen ganzen Sack voller Meistertitel als Referenz mitbrachten. Das ganze flankiert vom amtierenden Vizechamp Marko Tarkala. Dieses Trio wurde werksmäßig komplettiert durch Simo Kirssi, den BMW sich - obwohl Enduro-Rookie - als Joker in der E2 Hinterhand behält.

Mit diesem Powerquartett sollte der Erfolg fast schon garantiert sein – so zumindest der Plan der BMW Verantwortlichen, und doch lief es bei den ersten beiden WM-Läufen erkennbar nicht nach Plan.
Die Frage stellt sich, woran das liegt. Im Hause BMW spricht man BABOONS gegenüber davon, dass die Fahrer offenbar eine längere Eingewöhnungszeit auf das Bike benötigen als gedacht, ebenso ist von nötigen Detailverbesserungen die Rede. Tatsächlich reagiert die 450er mit ihrem  Antriebskonzept (Schwingendrehpunkt ist gleich Antriebswelle) anders auf Lastwechsel. Daran muss man sich offenbar erst gewöhnen.

Im spanischen Wintercamp waren alle Fahrer allerdings noch voll des Lobes für ihr neues Fahrzeug, für das Handling und für die Performance insgesamt. Das jedoch waren scheinbar subjektive Einschätzungen. Den Vergleich mit der Konkurrenz bringt immer nur der knallharte Rennsport. Und hier erkennt man in München nun dringenden Handlungsbedarf. Dabei geht es wohl um Feinarbeit im Detail. Bei der WEC sehen auch Laien, dass die BMW-Jungs bei manchen Sonderprüfungen ganz vorne fahren, bei anderen aber kaum in der Lage sind, sich unter den Topten zu platzieren und die Sekunden im Zehnerpack auf der Strecke lassen.

Doch wie reagieren die Fahrer? „Alle warten darauf, dass ich sage, woran genau es liegt. Fakt ist, wir haben viele kleine Probleme, an denen wir arbeiten müssen. Mein Knie ist dabei ebenfalls ein Problem. Wir werden das schon noch schaffen", so das professionelle Statement von Juha Salminen. Simo Kirssi gab ähnliches zu Protokoll „Ja wir müssen noch an einigen Details arbeiten, aber das ist normal nach so kurzer Zeit, deswegen verstehe ich auch die ganze Aufregung im Moment nicht. Wir waren da vielleicht etwas zu optimistisch. Ich bin mit dem Bike generell sehr zufrieden und werde weiterhin an der Spitzengruppe dranbleiben“.
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David Knight: kämpft und
flucht.    Foto: Edmunds

Einzig David Knight war es, der bislang wenig Konstruktives zur Erhellung der Situation bei BMW  beitrug. Unzweifelhaft ist er mit seinem letztjährigen Arbeitsgerät wesentlich besser zurecht gekommen, aber dazu hatte er in fünf KTM Jahren ja auch ausreichend Zeit. Als er das BMW Angebot angenommen hat, war er laut BMW von dem Fahrzeug grundsätzlich überzeugt und auch bereit, es durch sein Zutun noch individuell an sich anzupassen. Bereits von seinem allerersten Ausritt auf der BMW bis zum WEC Saisonstart in Portugal hatte er am Bike nichts auszusetzen. Warum der Manxman jetzt mehr durch verbale Entgleisungen nach den Sonderprüfungen als durch Performance im Rennen auffällt, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Professionelles Verhalten sieht jedenfalls anders aus.

Trotz vielen Diskussionen, Tests und Teambriefings sind die Hintergründe der BMW Situation immer noch nicht ganz geklärt. „Wir haben jetzt auf jeden Fall ein klareres Bild davon, wie es unseren Fahrern auf der Strecke ergeht“, so Projektleiter Markus Theobald nach dem Rennen in Spanien. „Wir wissen, dass sie auf bestimmten Sonderprüfungen mit sehr schnellen Zeiten glänzen, dass dann aber Fehler an der Tagesordnung sind, die sie zurück werfen. Es gilt nun zu verstehen, warum sie unter gewissen Bedingungen schnell und befreit auffahren und ihr Potenzial zu 100 Prozent zeigen können, während sie bei anderen Gelegenheiten unter ihren Möglichkeiten bleiben, obwohl ihnen keine Fehler unterlaufen.“

Ähnlich bedeckt äußert sich auch Teamchef Wolfgang Fischer: „Nach vier Monaten Vorbereitung für unsere Neuzugänge Salminen, Knight und Tarkkala waren unsere Topfahrer allgemein zufrieden mit dem technischen Stand der Rennmotorräder und mit der Performance bei den Tests, Trainings und nationalen Vorbereitungsrennen. Dadurch waren die Erwartungen sehr schnell hoch gesetzt, und es entstand sofort ein Erfolgsdruck von außen. Das führt dann schnell einmal dazu, mehr Fehler als üblich zu machen. Wenn sich dann noch kleinere Verletzungen - wie bei Salminen – dazu gesellen, dann sind gleich die entscheidenden Sekunden verloren, um Podiumsplätze sichern zu können. Alle Team-Mitglieder haben sehr gut gearbeitet und werden die nächsten Rennen hochmotiviert vorbereiten. Die Techniker werden nach dem Feedback aus den ersten beiden WM-Wochenenden alles dafür tun, um die Bikes für jeden einzelnen Piloten zu optimieren, damit dann alle am Limit fahren können."

Und woran wird genau gearbeitet? BMW wäre die erste Firma im Rennsport, die nach verpatzten Rennen die Karten offen auf den Tisch legt. Es bleibt also nach wie vor Raum für Spekulationen.
Fazit: Der Enduro WM Zirkus hat ein Gesprächsthema, und die Konkurrenz hält sich mit bissigen Bemerkungen bislang vornehm und vorsichtig zurück, wohlwissend dass es jeden einmal „treffen“ könnte. BMW kann mit seiner „Hoppla-jetzt-komme-ich-Strategie“ die Entwicklungsphysik im Rennsport definitiv nicht auf den Kopf stellen und muss mit Hochdruck an einer Performancesteigerung arbeiten. Der WM Titelanspruch für 2009 dürfte allerdings erst mal Geschichte sein.

Am kommenden Wochenende schicken die Münchner den Cross Country Spezialisten Kirssi zum GCC Saisonauftakt nach Tollwitz. Der Druck auf den Finnen ist mächtig. Die Strecke kennt er allerdings wie seine Westentasche und mit eben dieser 450er hat er dort in im vergangenen Jahr voll gepunktet.
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Hoffen auf Erfolge, wie zuletzt in der XCC-Serie. Foto: Stanka

All das zusammen ist Rennsport wie er sein muss, lebendig und mit jeder Menge Überraschungen. Man darf gespannt sein, was die nächsten Rennen bringen.

 

 

 

 


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